SPD-Tugenden und Grundwerte beschworen

Kreisvorstand

Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin mit Kerstin Schanzer (r.) und Anja König (l.)

Ehemaliger Staatsminister Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin referierte beim Neujahrstreff der Kreisverbände Landshut und Dingolfing-Landau sowie des Stadtverbandes Landshut

„Soziale Herkunft des Einzelnen darf keine Rolle spielen“, lautete einer der Kernsätze von Philosophieprofessor Dr. Julian Nida-Rümelin, der am Donnerstagabend anlässlich des SPD-Neujahrstreffens im Gasthaus Roßmeier referierte. Der charismatische Visionär bezeichnete
das sozialdemokratische Wahldebakel von 2009 als absoluten Tiefststand, verstand es jedoch, alte SPD-Tugenden wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität zu beschwören, um seine Genossen für die kommenden Wahlkämpfe zu motivieren.

Dr. Bernd Vilsmeier (SPD-Kreisvorsitzender Dingolfing-Landau) und Kerstin Schanzer (stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende Landshut) konnten zum Neujahrstreffen die Vertreter von fast 30 Ortsvereinen und Landrat Heinrich Trapp begrüßen, der in seinem Grußwort schon ein paar Einblicke in seine Rede beim Neujahrsempfang des Landkreises am gestrigen Freitag gewährte.
Ebenfalls im Publikum Dr. Hannelore und Dr. Helmut Pix (ÖDP). Für die musikalische Begleitung des Abends sorgten Ulrike Misdziol (Flöte) und Axel Skupin-Schultz (Gitarre). Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin schien als Vorsitzendem der SPDGrundwertekommission das Thema „Quo vadis SPD? – Grundwerte als Kompass für die Zukunft!“ entgegenzukommen und er sprach völlig hilfsmittelfrei.

Keine Industrienation der Welt habe die Finanzkrise besser bewältigt als Deutschland, jedoch hätte das Duo Merkel & Brüderle damit nicht das Geringste zu tun. Gründe dafür seien unter anderen die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung, die Reform des Arbeitsmarktes und der reale Lohnverlust, den Arbeitnehmer und Gewerkschaften in Kauf genommen hätten.

„Die SPD steht vor gigantischen Herausforderungen und wie werden wir zukunftsfähig?“, so Nida-Rümelin und nannte einige Eckpfeiler. So sei die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau wichtig, denn die Erwerbsbeteiligung und das Qualifikationsniveau der Frauen in Deutschland lägen viel zu weit auseinander.
Ähnlich wie in den skandinavischen Ländern oder auch in Frankreich (Nida-Rümelin ist mit einer Französin verheiratet) müsse man in Deutschland deutlich mehr Familienförderung betreiben. Es könne nicht angehen, dass sich Frauen, die voll berufstätig seien und trotzdem mehrere Kinder haben wollten, ständig für diese beiden Wünsche rechtferigen müssten. Um das zu ändern müsste für gesellschaftliche Ganztagseinrichtungen für Kinder (Krippen, Kindergärten Schulen und sonstige Bildungseinrichtungen) die Kostenfreiheit verwirklicht werden. Und die soziale Herkunft des Kindes dürfe keinerlei Rolle spielen.

„In den USA wird Kapital und Vermögen zweieinhalb mal so hoch besteuert wie im Niedrigsteuerland Deutschland“, beantwortete Nida- Rümelin auch gleich die Frage nach der entsprechenden Finanzierung. Das Land bräuchte mehr öffentliche Güter, die jedem zugänglich sein müssten – nicht weniger. Dann werde sich auch die Demographie positiv verändern. Auch für mehr Autonomie, auch für Senioren oder Mütter mit Kindern, müsse die SPD sich einsetzen, um zu einer humanen, gerechten Sozialpolitik zu kommen, die der sozialdemokratischen Werteorientierung entspricht. Nida-Rümelin betonte aber auch, dass der Staat sich nicht selbst ruinieren dürfe, damit er und seine Kommunen handlungsfähig seien, um tatsächlich die Mehrung öffentlicher Güter zu verwirklichen.
Petra Schlicke, Dingolfinger Anzeiger, Samstag, 15.01.2011

 

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